Björn Thoroe

Oberbürgermeister-Kandidat der Partei Die Linke

Alter: 40
Beruf: Soziologe

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1. Wie stehen Sie zu den von der Kieler Ratsversammlung beschlossenen Stadtbahn-Plänen? Welche Priorität hat die Stadtbahn für Sie? Welche Akzente möchten Sie setzen?

Ich unterstütze die von einer breiten, demokratischen Mehrheit beschlossenen Stadtbahn-Pläne ausdrücklich. Der Aufbau eines bedarfsgerechten, öffentlichen Verkehrsmittels mit ausreichender Kapazität ist eines der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte in Kiel und von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt.

Meine Überzeugung ist, dass die Bereitstellung von Mobilität ein Bestandteil der Daseinsvorsorge und damit eine öffentliche Aufgabe darstellt. Nur durch die Stadtbahn kann in Kiel ein öffentlicher Personennahverkehr realisiert werden, welcher über ausreichende Kapazitäten verfügt und bestehende Überlastungen auflösen kann. Es ist für die Zukunft Kiels die Verkehrsinfrastrukturmaßnahme mit der höchsten Priorität.

Ebenso sichert nur das Stadtbahn-Projekt die notwendigen Fördermittel gemäß Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und eine hohe Beteiligung des Bundes an den Baukosten eines zukunftsfähigen ÖPNV für unsere Stadt. Es wäre unvernünftig, diese bereitstehenden Mittel nicht zu nutzen.

2. Kiel 2034, die erste Tram-Linie fährt: Wie geht es nach der ersten Inbetriebnahmestufe der Stadtbahn weiter?

Schon während der Bauphase der 1. Inbetriebnahmestufe (IBS) muss ernsthaft, entschlossen und zielgerichtet die konkrete Planung der 2. und 3. IBS vorangetrieben werden, damit es nicht für längere Zeit bei einem „Rumpf-Netz“ bleibt.

Von entscheidender Bedeutung ist für mich und meine Partei Die Linke hierbei eine möglichst rasche Realisierung der Linie 3, da sie periphere Stadtteile wie Mettenhof und Dietrichsdorf besser an das Stadtzentrum und den Hauptbahnhof anbindet. Gleiches gilt für die Verlängerung der Linie 2 nach Elmschenhagen sowie der Linie 1 nach Suchsdorf. Das System Stadtbahn spielt seinen Geschwindigkeitsvorteil gerade dort aus, wo längere Distanzen zu überwinden sind und trägt dadurch zu einem Zusammenwachsen der Stadt bei.

Darüber hinaus soll der weitere Ausbau des Kernnetzes so schnell wie möglich geschehen und einer Logik folgen, welche eine Erweiterung dort priorisiert, wo Kapazitätsengpässe bei den bestehenden Busverkehren vorliegen. Vermutlich wird hier eine zeitnahe Verlängerung der Linie 2 in die Wik eine entscheidende Rolle spielen, um die Buslinie 11 zu entlasten.

Ich bin überzeugt: Sobald eine Stadtbahn fährt, werden die Kieler*innen sie lieben und eine rasche Erweiterung des Netzes verlangen!  

Meine Partei hat immer die Notwendigkeit einer Stadtbahn vertreten und es ist federführend auch ihrer Initiative zu verdanken gewesen, dass beim geplanten zukünftigen Stadtteil Neu-Meimersdorf dann doch Reserveflächen für Stadtbahntrassen vorgesehen werden (was nebenbei dazu geführt hat, dass dort mehr neuer Wohnraum realisiert werden kann als ursprünglich geplant).

Sobald Vorplanungen für einen Ersatz der Olympiabrücke über den Nord-Ostsee-Kanal beginnen (der Zeitpunkt kann mangels entsprechender Daten derzeit allerdings nicht seriös bestimmt werden) muss Kiel energisch darauf drängen, dass eine neue Brücke auch eine Trasse erhält – damit die Stadtbahn in Zukunft auch bis Schilksee fährt!

3. Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft in Kiel neben der Stadtbahn aus, insbesondere hinsichtlich der Anbindung des Umlands?

Der weitere Ausbau der Radinfrastruktur ist zu forcieren und auch die Planungen für eine Ausdehnung des Förderfährverkehrs müssen weiterverfolgt werden.

Radschnellwege müssen interkommunal geplant werden, das Land darf hier nicht aus einer planerischen und vor allem auch finanziellen Mitverantwortung entlassen werden.

 Ich begrüße, dass das Konzept „S-Bahn Kiel“ auch weiterhin im Landesweiten Nahverkehrsplan verbleiben sowie nach und nach umgesetzt werden soll. In Verknüpfung mit der Stadtbahn und den anderen Verkehrsmitteln entsteht hierdurch ein modernes, zukunftsfähiges ÖPNV-System, welches den verkehrlichen Bedarfen des Großraum Kiel gerecht wird.

Zur Anbindung des Kieler Nordens an das Eisenbahnnetz sollte die Bahnstrecke Neuwittenbek – Kiel-Schusterkrug für den SPNV aktiviert werden.

4. Der Güterverkehr auf dem Kieler Stadtgebiet, insbesondere in Richtung der Fährhäfen, wandert zunehmend von der Schiene auf die Straße. Dabei sollte die Entwicklung eigentlich andersherum sein, um Kiels Straßennetz zu entlasten. Wie wollen Sie gegensteuern?

Die sträfliche Vernachlässigung der Fracht-Tochter DB Cargo durch den Gesamtkonzern Deutsche Bahn sowie die durch absurd hohe Trassenpreise künstlich überhöhten Transportkosten treffen auch Kiel und die hier eigentlich vergleichsweise gut ausgebaute Hafenbahn. Güter, die woanders nicht in einen Zug verladen werden, kommen in Kiel leider auch nicht in einem Güterzug an. Lösen lässt sich dieses Problem auf rein kommunaler Ebene nicht. Was die Stadt und insbesondere die Verwaltungsspitze aber tun müssen: politischen Druck aufbauen, auch über den Deutschen Städtetag, damit die derzeit vorherrschende Vernachlässigung des Themas Schienengüterverkehr endet. 

Ebenso bin ich der Auffassung, dass LKW-Verkehre auch abseits der Autobahnen überall mautpflichtig werden sollten, um den derzeit unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln zu beenden. Hierzu wären allerdings Gesetzesänderungen auf Bundesebene notwendig.

Ein Seitenhieb sei erlaubt: Was den Kieler Industrie- und Hafenbahnen überhaupt nicht helfen würde, wäre, ihre Gleise durch SPNV abseits realer Bedarfe zu blockieren.

5. Guten ÖPNV wollen alle, aber der Straßenraum ist beschränkt. Sind Sie bereit, Verkehrsraum zugunsten des ÖPNV sowie geschützter Rad- und Fußwege neu aufzuteilen?

Ja, auf jeden Fall. Der motorisierte Individualverkehr nimmt derzeit zu viel Raum ein, zulasten der Lebensqualität der Kieler*innen. Wir brauchen dringend mehr Flächengerechtigkeit zugunsten anderer, leistungsfähigerer Verkehrsträger. Ein gut und sicher zwischen den verschiedenen Fortbewegungsarten aufgeteilter Straßenraum hat eine wesentlich höhere Kapazität zur Abwicklung des Verkehrsaufkommens.

Derzeit ist noch ein großer Anteil öffentlicher Flächen durch Parkplätze blockiert. Es kann aber nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, Abstellplätze für Privatfahrzeuge vorzuhalten. Orientiert an der Praxis anderer, erfolgreicher Städte muss eine fortschreitende, konsequente Reduzierung dieser Fehlnutzung knapper öffentlicher Flächen erfolgen.

Anreize zum Umstieg auf den ÖPNV und andere Verkehrsträger im Umweltverbund gibt es in Kiel schon heute genug, es müssen endlich auch sogenannte „Push-Maßnahmen“ unternommen werden, um den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren.

6. Der Kieler Stadtverkehr leidet unter starkem Personalmangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Mit welchen Maßnahmen möchten Sie gegensteuern?

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei den (städtischen) Verkehrsunternehmen muss fortgesetzt werden. Zu guten Arbeitsbedingungen zählt zentral auch eine Tarifentwicklung, die nicht von der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung abgehängt wird.

Forschungsvorhaben und Erprobungen für autonom gesteuerte Verkehrsmittel (hierbei sind insbesondere die Fördefähren zu nennen) sollen auch weiterhin Unterstützungen aus dem städtischen Haushalt erhalten.

Die Bewältigung des Personalmangels (auch) im Verkehrswesen ist nicht von der Notwendigkeit einer progressiven Migrations- und Einwanderungspolitik zu trennen. Schon heute kommt ein großer Anteil der Busfahrer*innen und anderer Beschäftigter ursprünglich nicht aus Deutschland. Dieses wird auch in Zukunft so sein und muss durch eine offene, freundliche und antirassistische Stadtgesellschaft unterstützt werden!