Dr. Samet Yilmaz

Oberbürgermeister-Kandidat der Grünen

Alter: 44
Beruf: Referatsleiter

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1. Wie stehen Sie zu den von der Kieler Ratsversammlung beschlossenen Stadtbahn-Plänen? Welche Priorität hat die Stadtbahn für Sie? Welche Akzente möchten Sie setzen?

In der Kieler Kommunalpolitik sowie in der Stadtverwaltung besitzt die Stadtbahn einen hohen Stellenwert. Als Oberbürgermeister und Verwaltungsspitze sehe ich meine Aufgabe darin, die Entscheidung der Ratsversammlung gemeinsam mit der Mobilitätsdezernentin und dem Kämmerer weiterhin umzusetzen, das Projekt gut zu
steuern – sowohl innerhalb der Verwaltung als auch in die Öffentlichkeit hinein.

Für mich persönlich ist die Stadtbahn weit mehr als ein Verkehrsprojekt – sie steht für eine Politik, die mutig nach vorne blickt und gleichzeitig konkret den Alltag der Menschen verbessert. Sie verbindet genau das, wofür ich stehe: Zukunft gestalten und den Alltag der Menschen stärken.
In einer wachsenden Stadt wie Kiel stößt unser Verkehrssystem an seine Grenzen – das spüren viele Menschen schon heute täglich. Fachgutachten und Experten zeigen deutlich: Nur mit einer Stadtbahn können wir die steigende Nachfrage bewältigen. Sie bringt gleichzeitig konkrete Entlastung im Alltag: barrierefreie Mobilität, Platz für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen – ein Angebot, das besonders älteren und eingeschränkten Menschen, Familien, Schüler*innen und Studierenden zugutekommt. Sie ist die beste Antwort für Kiel und ihre Bedürfnisse einer modernen, solidarischen, aber auch älter werdenden Stadtgesellschaft. Und aus anderen Städten wissen wir: Stadtbahnen bringen langfristige Standortaufwertung, erhöhen die Laufkundschaft und beleben ihre Einzugsgebiete. Davon profitieren alle in Kiel. Die Stadtbahn verbindet zudem Klimaschutz mit Alltagserleichterungen und begegnet dem Fachkräftemangel im ÖPNV. Ich will, dass meine Kinder – und alle Kinder in unserer Stadt – in einer Stadt aufwachsen, in der sichere Wege, verlässliche Mobilität und eine saubere Umwelt selbstverständlich sind. Daher stehe ich hinter der Entscheidung der Ratsversammlung.

Ich weiß, dass die aktuelle Haushaltslage viele Menschen beschäftigt und Fragen zur Finanzierung der Stadtbahn aufwirft. Mir ist wichtig: Kiel wird seinen Eigenanteil leisten können. Mein Ziel ist es, bis zum Baubeginn 2029 einen stabilen Haushalt und verlässliche Finanzierungswege zu schaffen – damit die Stadtbahn auf einem sicheren Fundament steht. Gleichzeitig holen wir mit der Stadtbahn hunderte Millionen an Bundes- und Landesförderung nach Kiel, welche ohne das Großprojekt anderswo in der Republik eingesetzt würden. 90 Prozent der Infrastrukturkosten werden gefördert. Mit diesem Geld können wir nicht nur heutige Probleme lösen, sondern Kiel einen neuen Anstrich verpassen, die Aufenthaltsqualität und das Wohngefühl in der Stadt auf ein neues Niveau heben.

Auch nehme ich sehr ernst, dass die Bauphase manchen Sorgen bereitet. Als Oberbürgermeister werde ich auf ein besonders kluges Baustellenmanagement setzen – mit frühzeitiger Planung, kreativen Lösungen, ggf. auch externen Experten und enger Abstimmung mit Anwohnerinnen und Gewerbetreibenden, so dass die Unterstützung für die Stadtbahn weiterhin stark bleibt. Wo es möglich ist, will ich Bauarbeiten bündeln: etwa die Verlegung der Schienen mit den anstehenden und teilweise überfälligen Sanierungen der Abwasserleitungen verbinden. So sparen wir Zeit und reduzieren Belastungen.

2. Kiel 2034, die erste Tram-Linie fährt: Wie geht es nach der ersten Inbetriebnahmestufe der Stadtbahn weiter?

Der erste Tag mit der Stadtbahn wird ein Meilenstein für Kiel – wir werden nicht nur die erste Fahrt feiern, sondern auch eine Stadt erleben, die durch komfortable Mobilität, mehr Aufenthaltsqualität und aufgewertete Stadträume spürbar gewinnt. Gemeinsam haben wir dann eines der größten Infrastrukturprojekte der letzten Jahrzehnte gemeistert – ein Erfolg
für die ganze Stadtgesellschaft. Wir werden Deutschlands modernste Straßenbahn haben und andernorts wird man sich Kiel zum Vorbild nehmen: Weil wir kein Flickwerk haben aus alten und neuen Straßenbahnsystemen und Technologien, weil wir barrierefrei und leise im Akkubetrieb durch Stadtzentren rollen können und weil wir mit neuen Ideen eine modernere, schnellere und zuverlässigere Mobilität haben werden.

Die Premiere ist nur der Anfang – entscheidend ist, dass wir die Erfahrungen aus der ersten Stufe nutzen, um die zweite noch reibungsloser umzusetzen und mehr Stadtteile an unser hochwertiges ÖPNV-System anzuschließen. Mir ist wichtig, dass wir aus der ersten Bau- und Betriebsphase lernen: mit einer offenen, positiven Fehlerkultur und dem Blick darauf, was wir noch besser machen können. Denn schon die zweite Inbetriebnahmestufe ist in
Vorbereitung, die Mettenhof und Wik bis zum Kanal deutlich besser an das Zentrum anbindet. Auch Elmschenhagen und später der Kieler Süden werden in den Fokus rücken. Als Oberbürgermeister will ich frühzeitig in den Dialog gehen – gemeinsam mit unserer Mobilitätsdezernentin Alke Voß, dem Stadtbahn-Team und den Bürger*innen in den betroffenen Stadtteilen.

Und wir denken weiter: Sollte Kiel den Zuschlag für Olympia bekommen, möchte ich als Oberbürgermeister die Chance nutzen, zusätzliche Olympia-Fördergelder auch für eine Stadtbahn-Querung des Nord-Ostsee-Kanals einzusetzen. So verbinden wir Kiel noch enger, schaffen neue Mobilitätsperspektiven und machen die Stadtbahn endgültig zum Rückgrat eines gerechten, klimafreundlichen und zukunftsfesten Nahverkehrs.

3. Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft in Kiel neben der Stadtbahn aus, insbesondere hinsichtlich der Anbindung des Umlands?

Die Mobilität von morgen bedeutet für mich: vernetzt, klimafreundlich und menschenorientiert.

Eine bessere Vernetzung zwischen Kiel und dem Umland kann die Regio-S-Bahn bringen und gleichzeitig MIV in den Umweltverbund verlagern.
Mit der Regio-S-Bahn wird die Stadtbahn jedoch umso wichtiger, weil die zusätzlichen Menschen noch zum Zielort gebracht werden müssen und unser Bussystem aktuell bereits an der Kapazitätsgrenze läuft. Die Regio-S-Bahn ist bereits im Landesnahverkehrsplan 2022-2027 vorgesehen, ihre Umsetzung liegt in der Hand der NAH.SH und der Landesregierung. Mit mir als Oberbürgermeister wird die Stadt ein verlässlicher und starker
Partner bei der Umsetzung sein.

Darüber hinaus will ich Bus- und Fährverkehr weiter elektrifizieren und neue Technologien wie autonomes Fahren frühzeitig mitdenken. Für ein schienengebundenes System ist autonomes Fahren sicherlich leichter umzusetzen als für eine autonome Fähre, klar ist jedoch: solche Innovationen können erst in mittel- bis langfristigen realisiert werden. Ich begleite die derzeitigen Entwicklungen in der Branche interessiert.
Vor allem aber braucht es ein neues Denken in der Stadtplanung. Jahrzehntelang stand das Auto im Mittelpunkt der Stadt- und Verkehrsplanung, künftig müssen die Menschen mit ihren verschiedenen Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Ich setze auf Konzepte wie die 15-Minuten-Stadt und Vision Zero: kurze Wege, sichere Straßen, lebenswerte Quartiere. Öffentliche Parkplätze sollen in Quartiersparkhäusern gebündelt werden, damit Platz frei wird für ein lückenloses Radwegenetz und breite, sichere Fußwege. P+R-Anlagen entlang der Stadtgrenzen, die Pendler:innen das Umsteigen in Stadtbahn und Bus erleichtern und Staus vorbeugen. So entsteht eine Stadt, in der Kinder, Eltern, Seniorinnen und Menschen mit Behinderung sich frei und konfliktarm bewegen können – und Mobilität für alle einfacher wird.

4. Der Güterverkehr auf dem Kieler Stadtgebiet, insbesondere in Richtung der Fährhäfen, wandert zunehmend von der Schiene auf die Straße. Dabei sollte die Entwicklung eigentlich andersherum sein, um Kiels Straßennetz zu entlasten. Wie wollen Sie gegensteuern?

Mit dem erst kürzlich geschaffenen Railcoach, der bei der IHK angesiedelt ist, ist eine gute Grundlage gelegt. Den Kontakt möchte ich proaktiv aufnehmen und im regelmäßigen Austausch darüber bleiben, welche Güterverkehre einfacher verlagert werden können und welche Hemmnisse es gibt, so dass wir dafür weitere Lösungen finden können.
Darüber hinaus will ich als Oberbürgermeister Schiene und Hafen enger miteinander verzahnen – damit Kiel als Seehafen noch stärker zur Drehscheibe klimafreundlicher Logistik wird. Gleichzeitig sehe ich Bund und Land in der Pflicht: Nur mit verlässlichen Investitionen in die Schieneninfrastruktur und klaren Förderprogrammen können wir die Verlagerung des Güterverkehrs dauerhaft sichern.

5. Guten ÖPNV wollen alle, aber der Straßenraum ist beschränkt. Sind Sie bereit, Verkehrsraum zugunsten des ÖPNV sowie geschützter Rad- und Fußwege neu aufzuteilen?

Ja, denn als Stadt müssen wir die verschiedenen Bedürfnisse im Blick haben. Aktuell ist der öffentliche Raum stark auf die Bedürfnisse von Autos zugeschnitten, das muss sich ändern.
Auch andere Verkehrsteilnehmer – vor allem des Umweltverbundes – brauchen sichere und durchgehende Wege (-ketten). Wir müssen nicht nur den Raum gerechter aufteilen, sondern die begrenzten verfügbaren Fläche effizienter nutzen: Für den ruhenden Verkehr möchte ich beispielsweise Quartiersparkhäuser schaffen, sodass ehemaliger Parkraum umgenutzt werden kann.

6. Der Kieler Stadtverkehr leidet unter starkem Personalmangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Mit welchen Maßnahmen möchten Sie gegensteuern?

Der Personalmangel im ÖPNV ist eine der größten Herausforderungen für die kommenden Jahre. Mit der Stadtbahn schaffen wir ein System, das deutlich effizienter arbeitet – mit weniger Personal können mehr Fahrgäste zuverlässig und barrierefrei befördert werden. Damit entlasten wir die angespannte Situation langfristig.

Personalgewinnung muss parallel über entsprechende Kampagnen laufen, die den Stellenwert für die Gesellschaft herausheben: Busfahrer*innen sowie Stadtbahnfahrer*innen sorgen dafür, dass alle – unabhängig vom Geldbeutel oder Mobilitätseinschränkungen – mobil sein können, schützen das Klima und tragen so unmittelbar zu einer gerechteren Gesellschaft bei.