Grafik: Stadt Kiel/ Rambøll

Status quo: Planungsstand, Beschlusslage & Finanzierung  

Am 13. März 2025 hat Kiel einen weiteren großen Schritt zur Tram gemacht. Fünf Ausschüsse der Ratsversammlung haben mit großer Mehrheit den Startschuss für die erste Strecke gegeben. Eine Zustimmung der Ratsversammlung am 20. März ist sicher.

Wir wollen in diesem Text einen Überblick geben, was geplant ist, was nun beschlossen wurde, wie die Tram finanziert wird und was uns in den nächsten Monaten erwartet.

Die erste Strecke

Ab 2034 wird die Linie 1 auf der Strecke Wellingdorf – Universität alle 7,5 Minuten verkehren. Sie wird – das ist in der Vorplanung neu dazugekommen – um eine zweite Linie ergänzt, die in der Asmusstraße in Gaarden startet und dann ebenfalls bis zur Uni fährt. Sie fährt alle 20 Minuten und verstärkt die Linie 1. (Wie die Linien einst heißen werden, steht noch nicht fest. Nach den Vorgaben der NAH.SH wären es aber die T1 und T2.)

Die Linie 2 soll das dichtbesiedelte Gaarden besser erschließen und gleichzeitig das Angebot auf dem Westufer verdichten. Positiver Nebeneffekt: Die Strecke zum Betriebshof in der Diedrichstraße ist jetzt nicht mehr nur Betriebsstrecke – und kann damit durch den Bund gefördert werden.

Das ist die erste Etappe beim Bau des Kernnetzes, das später auch bis Mettenhof, in die Wik, nach Elmschenhagen, nach Dietrichsdorf und bis Projensdorf/Suchsdorf reichen soll. Der Zeitplan für die weiteren Etappen wird in den nächsten Monaten vorgestellt. Sie werden zeitversetzt zur ersten Stufe geplant und gebaut und sollen 2039 fertig sein.

Planungsbeschleunigung Made in Kiel

Andere reden von Planungsbeschleunigung, in Kiel wird sie gelebt. Die Planenden von Stadtverwaltung und Rambøll haben den ambitionierten Zeitplan von Trassenstudie und Vorplanung in den letzten fünf Jahren souverän eingehalten. Mit demselben zügigen Stil startet man nun in die Entwurfs- und Genehmigungsplanung für die erste Strecke. Kiel setzt in Sachen Planungsbeschleunigung bundesweit neue Standards für städtische Verkehrsgroßprojekte.

Diese Wertung mag durchaus überraschen, sind doch knapp 15 Jahre vom Planungsstart bis zur ersten Fahrt eine lange Zeit. Aber es sind die deutschen Fördermittel- und Genehmigungsverfahren, verbunden mit einer aufwändigen Bürgerbeteiligung, die viel Zeit in Anspruch nehmen.

Das Planungsbüro Rambøll hat dieses bürokratische Labyrinth bisher geschickt navigiert. Auch der weitere Plan ist klug gemacht: Um das Genehmigungsverfahren möglichst zügig passieren zu können, werden möglichst viele Fragen vorab geklärt. Die Fahrzeuge sollen bereits 2027 bestellt werden, damit sie 2034 sicher da sind. Die Behörden, die beteiligt werden müssen, werden bereits jetzt eingebunden, um einen Konsens herzustellen. Auch der nötige Grunderwerb wird heute schon in Angriff genommen. Die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer konnte bereits in der Vorplanung erfolgreich verhandelt werden. Und auch die erfolgreiche, intensive Bürgerbeteiligung wird fortgesetzt. Die erste Strecke soll in vier Etappen planfestgestellt werden, um zuverlässig die Bauzeiten einzuhalten.

Beschlossen wurde auch, die Stadtbahn Planungs- und Baugesellschaft mbH auf den Weg zu bringen. In der Gesellschaft werden in Zukunft alle Aufgaben zur Stadtbahn gebündelt. 

Was kostet das?

Die Kosten für die Inbetriebnahmestufe 1 (IBS 1) werden auf 441 Mio. Euro geschätzt, Preisstand 2024. Es kursiert eine viel größere Zahl, doch diese wurde in einem anderen Kontext errechnet – dazu später mehr.

Die Kostenschätzung ist um 24 % höher als in der Trassenstudie (Preisstand 2021). Das hat mehrere Gründe. 9% wurden durch das teilweise Vorziehen der Leitungsverlegung ausgelöst – zwei Baustellen kosten eben mehr. 8 % stammen aus Änderungen der Trassenführung in der Vorplanung – das ist vor allem die Schleife mit Haltestelle an der Betriebshofstrecke, welche neben der Erschließung eines weiteres Quartiers auch zusätzliche Bundesmittel ermöglicht. Nur 7 % sind durch die heftige Inflation der letzten Jahr begründet.

Die zweite Zahl, die durch die Presse gegangen ist, ist 564 Mio. Euro. Diese wurde für das Finanzierungskonzept ausgerechnet – auch dazu gleich mehr. Das ist der Preisstand 2024 plus einen Risikoaufschlag von 15 % und eine jährliche Inflation von 2 % bis zur Fertigstellung.

Ein derart konservativ berechnetes Preisschild hängt an keinem anderen Projekt. Dass diese Summe jetzt von manchen als eine Preissteigerung von 60 % verkauft wird, ist schlicht unredlich. Genauso ließen sich die Kosten etwa für die A21 künstlich in die Höhe treiben.

Es war auch zu lesen, die Stadt rechne mit dem Preisstand von 2016, weshalb alles viel teurer werde. Der Steuerzahlerbund hat z.B. so argumentiert. Tatsächlich wurde jedoch immer mit den aktuellsten – auf präzisen Rechnungen des Tiefbauamts beruhenden – Zahlen gerechnet. Wie kommt der Steuerzahlerbund nun auf das Jahr 2016? Der Fördermittelgeber Bund möchte, dass die Zahlen für die Wirtschaftlichkeitsbewertung auf 2016 zurückgerechnet werden, damit die beim Bund angemeldeten Projekte untereinander vergleichbar sind. Dies wurde von den Fachleuten aber erst in einem zweiten Schritt umgesetzt, als die aktuellen Zahlen von 2024 bereits errechnet worden waren.

Wichtig: Die Kosten können tatsächlich – aufgrund der konservativen Kalkulation – auch geringer ausfallen. So wurde bisher mit einer vollständigen Leitungsverlegung geplant, obwohl das nicht immer notwendig ist. Diese Entscheidung wird man aufgrund ihrer Komplexität erst in der nächsten Planungsphase treffen können. 

Diese Gesamtsumme sollte man außerdem folgendermaßen ins Verhältnis setzen: Die Kostenschätzung enthält 47 Mio. Euro „Sowieso-Maßnahmen“. So soll z.B. der Holstenplatz umgestaltet werden. Da das im Rahmen des Tram-Baus geschehen soll, stehen die Kosten für diese städtebauliche Maßnahme mit in der Kostenschätzung der Tram. Baut man die Tram nicht, fallen diese Kosten aber trotzdem an. Das gilt auch für Straßen- und Kanalbauarbeiten, die ab 2029 nicht aufhören werden und teilweise mit in den Tram-Kosten enthalten sind.

Wie bezahlen wir das?

Inzwischen liegt auch ein schlüssiges Finanzierungskonzept vor, das der CDU Kiel und anderen Gegnern der Tram den Wind aus den Segeln nimmt.

Zunächst verteilen sich die Ausgaben über mehrere Jahre. 2025 bis 2028 sind es jährlich etwa 3-6 Mio. Euro, danach zwischen 40 und 54 Mio. Euro. 95 % der Gelder werden zwischen 2029 und 2035 ausgezahlt, sodass es für die Bewertung auf diese Umsetzungsphase ankommt. Zieht man die Fördergelder von Bund und Land ab, muss die Stadt Kiel in dieser Zeit 252 Mio. Euro aufbringen (inkl. Risikozuschlag und 2 % Inflation).

Es ist noch nicht ganz klar, wie die Fahrzeuge finanziert werden. Least man sie oder werden sie von einer Fahrzeuggesellschaft gekauft, müsste man den Kauf nicht aus dem Haushalt bezahlen. Die Investitionssumme würde dann (für die Stadt) auf 169 Mio. Euro sinken.

Wie viel Geld kann Kiel nun für solche Investitionen aufbringen? Dafür muss man auf den Investitionshaushalt schauen. Für das laufende Jahr enthält er 148 Mio. Euro, 2026-2028 sind im Schnitt 162 Mio. Euro eingeplant.

Zwischen 2019 und 2024 ist der Invest-Haushalt jährlich durchschnittlich um 6 % gewachsen, weswegen man auch für die Folgejahre ein Haushaltswachstum in ähnlichem Umfang annehmen kann. Nimmt man ein weiteres Wachstum von 5 % pro Jahr an, stehen zwischen 2029 und 2035 1,4 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Stadtbahn hätte daran einen Anteil von etwa 20 %, es verbleiben folglich ca. 80 % für weitere Investitionen. All diese Zahlen sind eher konservativ berechnet und deshalb belastbar. Zudem sind sie mit der Kommunalaufsicht abgestimmt.

Die CDU Kiel hat wiederholt die Frage gestellt, ob trotz Tram noch genügend Mittel für andere städtische Investitionen wie den Schulbau verbleiben. Können wir also von den verbleibenden 80 % des Invest-Haushalts die anderen geplanten Investitionen und den allgemeinen Unterhalt und Ersatz unserer Infrastruktur und Gebäude zahlen?

Es sind tatsächlich schon viele Einzelmaßnahmen geplant: der Neubau der Gemeinschaftsschule Meimersdorf, der Ersatzneubau der Hörnbrücke, der Veloroutenbau, Leitungssanierungen etc. Zusammen sind das 460 Mio. Euro für Einzelmaßnahmen. Daneben gibt es eine „Grundlast“ an kleineren Maßnahmen. Die Stadt hat den Bedarf in den Jahren 2019-2024 ebenfalls auf den Zeitraum des Tram-Baus projiziert und geht von 570 Mio. für diese allgemeine Investitionstätigkeit aus. Einzelmaßnahmen + Grundlast + Tram würden 92 % des Investitionshaushaltes im betrachteten Zeitraum verbrauchen. Es blieben also noch 8 % Puffer. Der könnte auf 14 % steigen, wenn man die Fahrzeuge nicht aus dem Haushalt finanziert.

Niemand versteht die CDU – so lief die gemeinsame Ausschusssitzung

In der Sitzung der fünf Ausschüsse am 13.03.2025 hat die CDU-Ratsfraktion überraschenderweise gegen die weiteren Tram-Planungen gestimmt. Das war insofern überraschend, als dass der Kreisparteitag der CDU noch für eine Enthaltung in der weiteren Debatte gestimmt hatte. Alle anderen demokratischen Ratsfraktionen von den Grünen über die SPD und den SSW bis zur Fraktion Die Linke/Die Partei stimmten dafür.

Carsten Rockstein, der neue Fraktionsvorsitzende der CDU-Ratsfraktion, bedankte sich zunächst für die Klarheit und Transparenz durch das Finanzierungskonzept. Allerdings lehne er die Tram als „Phantasieprojekt“ ab. Dabei betonte er, dass die CDU nicht gegen die Stadtbahn sei, sondern andere Investitionen priorisiere, wobei er Schulbau, Zivilschutz und innere Sicherheit herausstellte. Es sei nur fair, wenn man die Investitionen in diese Bereiche genauso wie den Investitionshaushalt jedes Jahr um 5 % steigere. Dann sei aber kein Raum mehr, um die Tram zu finanzieren. Rockstein steigerte sich dann sogar zu der Aussage, dass in der Bauphase aufgrund der Tram-Kosten weniger in öffentliche Sicherheit investiert werde.

Insgesamt muss dieser Redebeitrag von Carsten Rockstein als irritierend inkonsistent bezeichnet werden. Denn wer das Finanzierungskonzept liest, das eigens auf Wunsch der Kieler CDU von der Stadtverwaltung angefertigt wurde, der kann die Tram nicht „Phantasieprojekt“ nennen. Im Gegenteil: Das Finanzierungskonzept zeigt, dass in der Bauphase 2029-2034 alle geplanten und absehbaren Investitionen in Schulbau, öffentliche Sicherheit etc. wie bisher möglich sind. Es bleibt sogar ein Puffer von 8-14 % für zusätzliche Investitionen.

Rocksteins Unterstellung, die öffentliche Sicherheit würde weniger prioritär als die Tram behandelt, muss man als falsch zurückweisen, denn die Investitionen in Sicherheit werden auf hohem Niveau fortgesetzt. In der Tat betonte Kämmerer Zierau in der Sitzung, dass die letzten Investitionshaushalte die größten seit langem gewesen seien. Vor zwanzig Jahren seien, unter CDU-geführter Stadtverwaltung, noch 2 Mio. Euro für die öffentliche Sicherheit vorgesehen gewesen, heute seien es 16 Mio. Euro. Ein Seitenhieb, der durchaus verstanden wurde. Rockstein bat anschließend darum, nach vorne und nicht in die Vergangenheit zu schauen.

Der falsche Schluss ist auch zu glauben, das Investitionsbudget für öffentliche Sicherheit habe etwas mit Personalkosten, z.B. bei der Feuerwehr oder beim Ordnungsdienst, zu tun. Personalkosten werden aus einem ganz anderen Topf finanziert. Letzter Punkt: Rocksteins Aussage zum Zivilschutz ist schlicht falsch. Die Stadt zahlt hierfür keinen Euro, weil es sich um eine Bundesaufgabe handelt.

Erst recht für Irritation sorgte dann Rocksteins Stellvertreterin Antonia Grage, die sich direkt als Stadtbahnfan outete. Sie freue sich immer, in anderen Städten mit der Stadtbahn zu fahren. Niemand in der CDU-Fraktion lehne die Idee einer Tram ab, man sei nur inzwischen zu der Ansicht gelangt, dass man sie sich aktuell nicht leisten könne – die Tram sei aber weiter ein tolles Zukunftsprojekt.

Die Entwicklung der Erträge und Aufwendungen seit 2014. Grafik der Stadt Kiel.

Unser Standpunkt dazu: Wegen eines einzelnen schlechten Haushaltsjahres nach sieben Jahren mit positiven Abschlüssen (seit 2016 alle Jahre außer 2021) sowie nach fünf Jahren Stadtbahn-Planung und intensiver Bürgerbeteiligung die Finanzierbarkeit des Zukunftsprojekts Tram grundsätzlich in Frage zu stellen, ist ebenso unverantwortlich wie falsch. Kiel kann sich nachgewiesenermaßen die Tram leisten. Unklar bleibt auch, auf welche Weise denn die CDU den ÖPNV in Kiel ausbauen möchte. 2022 hatte sie noch für die Tram gestimmt, weil sie laut zweier Gutachten (Grundlagen- & Trassenstudie) das wirtschaftlichste und einzig finanzierbare Konzept war – und daran hat sich nichts geändert. Die Alternative zur Tram ist ein chaotisches „Weiter so“ auf Kiels Straßen.

Wir von Tram für Kiel e.V. hoffen, dass auch die CDU-Ratsfraktion irgendwann auf den Boden gutachterlicher Empfehlungen und an den Tisch der Tram-Gestalter zurückkehrt – momentan scheinen sich die Kieler Konservativen im verfrühten OB-Wahlkampf zu befinden.