Die Entscheidung der CDU Kiel, sich zukünftig bei Tram-Beschlüssen der Ratsversammlung zu enthalten, ist enttäuschend, war aber leider mit Blick auf die Äußerungen erwartbar, die in den letzten Monaten aus den Reihen der Kieler Konservativen zu vernehmen waren. Damit verabschiedet sich die CDU bis auf Weiteres vom fraktionsübergreifenden Tisch der Tram-Gestalter, welcher in den letzten 5 Jahren vertrauensvoll und im Interesse aller Kieler Bürger zusammengearbeitet hat. Bereits seit 2020 arbeiten die Ratsfraktionen im Stadtbahnprozess eng im Rahmen einer Steuerungsgruppe zusammen.
Jan Niemeyer, Vorsitzender von Tram für Kiel e.V., erläutert: „In der Steuerungsgruppe zur Stadtbahn konnte die CDU gewichtige Akzente setzen, etwa die Übereinkunft, dass maximal 10% der Parkplätze für den Bau der Tram entfallen dürfen. Grüne und SPD sind auf die Belange der CDU stets bis zur Schmerzgrenze eingegangen – oft zum Verdruss der eigenen Basis und Wählerklientel.“
Die Zusammenarbeit war so erfolgreich, dass 2022 – auf Initiative der Kieler CDU und ihres Vorsitzenden Tobias von der Heide hin – ein fraktionsübergreifender Nahverkehrsfrieden geschlossen wurde, der besagt, dass man sich gemeinsam hinter die gutachterlichen Empfehlungen stellen und die Tram nicht zum Wahlkampfthema machen werde.
Matthias Edeler, stellv. Vorsitzender von Tram für Kiel, betont: „Die eigentliche Enttäuschung in Bezug auf den heutigen CDU-Beschluss liegt darin, dass die Vereinbarungen und Versprechen des Nahverkehrsfriedens für die CDU offensichtlich jeden Wert verlieren, sobald OB-Wahlen am Horizont auftauchen. Das zeugt erstens von mangelnder politischer Verlässlichkeit und führt zweitens dazu, dass sich die CDU nun nicht länger auf der Basis gutachterlicher Empfehlungen bewegt – Verkehrspolitik nach Bauchgefühl sozusagen.“
In der Tat ist die Tram in gleich zwei Gutachten von den beauftragten Experten als bestes ÖPNV-System für Kiel empfohlen worden: in der Grundlagenstudie 2019 und in der Trassenstudie 2022. Dass die Gutachten fachlich richtig und die Ergebnisse plausibel sind, hat das Landesverkehrsministerium noch im Dezember öffentlich bestätigt. Mit einer Stellungnahme hat der Verband der deutschen Verkehrsunternehmen (VDV) das am Dienstag noch einmal unterstrichen und die CDU an die Notwendigkeit einer Kieler Stadtbahn erinnert.
Rätselhaft ist auch, woher auf einmal die Bedenken der CDU kommen, denn die Kosten und Herausforderungen des Tram-Baus waren schon bekannt, als die CDU zur Kommunalwahl 2023 damit antrat, dass das Kieler Bussystem nicht mehr ausgebaut werden kann und es deswegen eine Stadtbahn braucht. Die heutige Entscheidung widerspricht damit klar dem eigenen Wahlprogramm.
Niemeyer ergänzt: „Erstaunlich ist, dass sich die CDU Kiel damit klar gegen ihren Landesvorsitzenden Daniel Günther stellt. Noch vor wenigen Wochen hat er mit Ulf Kämpfer eine Absichtserklärung geschlossen, mit der das Land eine Finanzierung von Planung und Bau der Tram zusichert. Bei der Unterzeichnung machte der Ministerpräsident deutlich, dass die Tram nicht nur ein wichtiger Schritt Richtung Klimaneutralität ist, sondern auch helfen kann, Fach- und Arbeitskräfte für Schleswig-Holstein anzuziehen und zu halten. Für Günther auch wichtig: „Die Kieler Straßen werden schöner, aber vor allem wird die Stadtbahn die Mobilität erleichtern.“
Edeler unterstreicht abschließend: „Die Tram ist ein Projekt für alle Kieler und 70 % der Kieler Ratsversammlung stehen weiter geschlossen hinter ihr. Wir von Tram für Kiel e.V. würden uns in jedem Fall darüber freuen, wenn die CDU Kiel zur Sachpolitik zurückkehrt und die Tram gemeinsam mit den bisherigen Partnern gestaltet.“