Es wird erstmals konkret. Um die weiteren Planungen überhaupt zu ermöglichen, wurden vorläufige Grundentscheidungen getroffen. Diese Planungsparameter wurden auch bereits durch den Wirtschaftsaussschuss genehmigt; es ist zu erwarten, dass auch die restlichen Ausschüsse grünes Licht gebene werden.
Zu den wesentlichen Qualitätsstandards:
– Grundsätzlich erfolgt die Trassierung auf eigener zweigleisiger bzw. zweispuriger Trasse.
– An Knotenpunkten wird dem ÖPNV-System eine hohe Priorität gewährt, umschnelle Reisezeiten und eine geringe Störanfälligkeit zu gewährleisten.
– Die Anpassungen im Verkehrsraum genügen einem hohen städtebaulichen Anspruch.
– Das Fahrerlebnis hebt sich in Bezug auf Hochwertigkeit gegenüber dem Ist-Zustand deutlich ab. Dieser Punkt wird u.a. durch die Festlegung hoher Standards der folgenden Planungsparameter sichergestellt.
– Der Zielwert für die Durchschnittsgeschwindigkeitdes Systemswird auf 20 bis 23 km/hfestgelegt. Für ein BRT-/Tramsystem ist dieser Bereich eine gute Balance zwischen attraktiven Fahrzeiten (auch im Vergleich zum IV) und Nachteilen für andere Verkehrsteilnehmer. Die höchste Nachfrage wird hier erwartet.
Einführung eines zukunftssicheren ÖPNV-Systems – Planungsparameter – Drs. 0160/2021
Haltestellen
Die Planer legen fest, dass die Haltestellen für ein mögliches Tram-Netz auf jeden Fall 60 m lang sein sollten. Wobei man in den Planungen prüfen will, ob bei etwaigen Haltestellen noch eine Reserve von 20 m vorhanden wäre. Diese wären für einen späteren Ausbau oder eine RegioTram notwendig.
Für ein mögliches BRT-Netz werden mindestens 50 m für die Haltestellen angesetzt. Paradoxerweise ist dies auf Grund der kürzeren Fahrzeuge erforderlich. Wegen des deswegen engeren Taktes gehen die Planer davon aus, dass für eine stabilen Betrieb zwei Busse gleichzeitig an einer Haltestellen halten können müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: die Höhe der Haltestellen. Bei der Tram soll mit einer Bahnsteighöhe von 35 cm geplant werden. 30 cm wären dabei für eine Tram mindestens erforderlich, 35 cm für eine RegioTram. Um zukunftssicher zu planen, werden zunächst die 35 cm angesetzt. Eine Reduktion auf 30 cm, falls doch nur eine Tram in die Schiene gesetzt werden soll, wäre ohne weiteres möglich.
Die Einstiegshöhen für ein BRT-Fahrzeug liegen zwischen 27 und 30 cm. Die obere Grenze von 30 cm wird bei den Planungen zu Grunde gelegt. Niedrigere Einstiegshöhen wären nur möglich, wenn die Fahrzeuge wie die Busse heute bei jedem Halt hydraulisch abgesenkt werden. Das würde allerdings zu längeren Fahrzeiten führen und wird daher nicht in Betracht gezogen.
Oberleitung
Weil jetzt noch nicht entschieden werden kann, was für ein Fahrzeugtyp am Ende zum Einsatz kommt, wird mit einer vollständigen Versorgung per Oberleitung geplant – bei Tram und BRT. Begründet wird dies auch damit, dass noch nicht festgelegt werden kann, an welchen Stellen auf eine Oberleitung verzichtet werden kann. Bei den weiteren Planungen möchte man auf die technische Entwicklung schauen.
Oberbau
Bei der Tram sollen folgende Arten des Oberbaus zum Einsatz kommen.
– Rasengleis als Grundsatz, wenn Gleise nicht überfahrbar sein müssen.
– Geschlossener Oberbau überall, wo es betrieblich erforderlich (Mischnutzung mit anderen Verkehrsteilnehmern, Überfahrten, etc.) oder städtebaulich gewünscht ist.
– Schottergleis ausschließlich als Ausnahme in außerörtlichen Bereichen bei höheren Geschwindigkeiten und in städtebaulich unproblematischen Gegenden.
Einführung eines zukunftssicheren ÖPNV-Systems – Planungsparameter – Drs. 0160/2021
Für ein BRT-System soll eine durchgehende Betonfahrbahn errichtet werden. Wobei eine Mischnutzung mit dem Individualverkehr möglich wäre, aber die absolute Ausnahme sein soll. Eine begrünte Fahrbahnoberfläche sei deutlich schwieriger zu realsieren als bei der Tram. Ob es überhaupt möglich sein wird, soll einzelfallbezogen geprüft werden.
Tram für Kiel begrüßt diese Entscheidungen
Es ist erfreulich, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen wurde und man sich vorgenommen hat, während des Planungsprozesses bei Bedarf nachzusteuern. Dass der städtebauliche Anspruch in das Grundlagendokument Einzug gefunden hat, ist für uns ein großer Gewinn. Die Infrastruktur wird auf Jahrzehnte Bestand haben, spätere Korrekturen werden daher nur schwer möglich sein. Dass von Anfang an vernünftige Parameter gesetzt werden, um schlechte Kompromisse zu vermeiden, ist wirklich erfreulich.
Die Entscheidung, auf 100 % Oberleitung zu setzen, überrascht auf den ersten Blick. Denn immerhin ist die Technik inzwischen so weit, dass moderne Trams dank der fortgeschrittenen Akku-Technologie mindestens einige Kilometer ohne Oberleitung fahren können. Dabei ist zu erwarten, dass diese Technik in einigen Jahren auch keine großen Kosten verursachen wird. Und sie bittet große Freiheit: an städtebaulich sensiblen Stellen könnte auf eine Oberleitung verzichtet werden. Oder bei besonderer Schwierigkeit der Installation einer Oberleitung. Aber auf den zweiten Blick ist es sehr vernünftig, mit einer durchgehenden Oberleitung zu planen; steht doch noch nicht fest, wo man auf die verzichten könnte und wie zuverlässig die Technik in ein paar Jahren wirklich ist.
Den Bau von Schottergleis lehnen wir ab. Auch in außerörtlichen Bereichen kann Rasengleis eingesetzt werden. Hier ist eine Abdeckung des Schotterbetts mit Rasen möglich. Höhere Unterhaltskosten sind aus unserer Sicht nicht zu erwarten, die Baukosten halten wir für nur geringfügig höher. Die Erfahrungen mit diesem System haben gezeigt, dass der Wartungsaufwand mit einem klassischen Schotterbett vergleichbar ist (wenn nicht sogar geringer).