Erste Phase der Trassenstudie abgeschlossen

Bei einer Online-Veranstaltung Anfang Juni haben die von der Stadt beauftragten Planer den aktuellen Stand der Dinge präsentiert und sich über viele Stunden den Fragen der Bürger gestellt.

In Kiel soll ein hochwertiges ÖPNV-System gebaut werden. Mit der Trassenstudie soll geklärt werden, wo es am besten fahren kann. Sie soll aber auch Entscheidungsgrundlage dafür sein, ob es ein höherwertiges Bussystem oder eine hochwertige Tram werden soll.

Die erste Phase der Studie ist jetzt abgeschlossen. Jetzt beginnen konkrete Planungen – weiterhin parallel für Tram und BRT. Die Trassen werden detailliert entworfen, es wird ein Betriebskonzept entwickelt und die genauen Baukosten werden ermittelt. Ende nächsten Jahres soll auf dieser Basis dann eine politische Entscheidung getroffen werden, sowohl für das System, als auch die konkreten Trassen.

130 km – 80 km – 50 km – 35 km

Ende 2020 ging es los, 130 km mögliche Varianten wurden untersucht. Jetzt sind nur noch 50 km übrig, die bis zum nächsten Sommer gründlich untersucht werden. Am Ende soll eine Empfehlung für ein gut 35 km langes Kernnetz stehen.

Um zu den 50 km Kernnetz zu kommen, wurde ein formalisiertes Abwägungs- und Rangordnungsverfahren durchgeführt. Vereinfacht gesagt, wurden alle denkbaren Varianten in mehreren Phasen gefiltert.

Ausgangspunkt war die Grundlagenstudie. Diese hatte ermittelt, ob und wo genügend Nachfrage in Kiel für ein hochwertiges ÖPNV-System vorhanden ist. Bedarf wurde in fünf Korridoren gesehen (s. Grafik).

Die Planer haben nun in diesen Korridoren eine Vielzahl von Straßenzügen auf ihre Eignung untersucht. Begonnen wurde mit allen Varianten, für die eine entfernte Möglichkeit der Realisierung gesehen wurde. Dazu kamen Varianten, die von der Bevölkerung oder anderen Abteilungen im Rathaus vorgeschlagen wurden. Insgesamt 130 km Varianten.

In Stufe 0 sind dann Trassen ausgeschlossen worden, die technisch nicht machbar sind. Etwa, weil die Kurven zu eng wären oder nicht genug Platz vorhanden ist. Oder weil man ein Privatgrundstück bräuchte oder etwas abreißen müsste.

Übrig blieben danach noch rund 80 km technisch machbare Trassen. Ausgeschieden ist eine Trasse entlang der Veloroute 10, weil dort zu wenig Platz vorhanden war. Genauso entlang der B76 in Elmschenhagen: dort hätten Gebäude abgerissen und die Bundesstraße verändert werden müssen. Eine Querung der Schwentine über die historische Brücke schied aus Denkmalschutzgründen und mangelndem Platz aus. Auch eine Strecke durch Kronshagen ist nicht möglich. Denn nach deutschem Recht sind Kreuzungen von Straßenbahn und Eisenbahn ausgeschlossen. Und im Ortszentrum ist definitiv zu wenig Platz für eine Brücke über die Bahngleise.

In Stufe 1A wurden Paare aus bis zu sechs Varianten gebildet und grob bewertet nach Kriterien wie geschätzten Kosten, Erschließung, Reisezeit gemessen an der Streckenlänge, Raumnutzung und Konflikten mit anderen Verkehrsmitteln. Diese Paare wurden dann verglichen und nur die aussichtsreichsten kamen in die nächste Phase.

Ein Beispiel: im Korridor Nord, der in der Wik und/oder Projensdorf endet, wurden die Varianten Holtenauer Straße, Knooper Weg, Westring und Feldstraße verglichen. Im direkten Vergleich belegte die Trasse durch die Feldstraße den letzten Platz – wegen einer geringeren Erschließungswirkung.

Im Korridor nach Mettenhof wurden Trassen durch den Hasseldieksdammer Weg und Skandinaviendamm verglichen. Eine Führung über den Skandinaviendamm schnitt als die bessere Variante ab: Kronshagen kann besser angebunden werden, die Brücke über die Bahnstrecke besteht bereits und müsste nicht wie am Hasseldieksdammer Weg extra eine errichtet werden. Vor allem ist genügend Platz für eine eigene Trasse vorhanden – immerhin wurde der Skandinaviendamm mal für vier Fahrspuren angelegt, von denen zwei nicht gebaut wurden. Am Hasseldieksdammer Weg wäre zudem eine Brücke zur Querung der Eisenbahngleise erforderlich.

Jetzt sind wir in Stufe 1B, die verbleibenden Varianten werden detailliert beurteilt.

Während in Phase 1A zum Beispiel die Fahrzeit einfach mit der Streckenlänge gleichgesetzt wurde, wird in dieser Phase eine Trasse ganz konkret geplant und die Fahrtzeit auf dieser Grundlage gemessen. Also muss geschaut werden, welche Kanäle verlegt werden müssten, wie der Straßenraum aufgeteilt werden kann, welche verkehrlichen Auswirkungen eine ÖPNV-Trasse haben wird. Es wird jetzt also schon das geplant, was später umgesetzt werden soll. Es wird auch ein Betriebsmodell entwickelt und es werden Störungssimulationen durchgeführt.

Spannend bleibt noch, wie Projensdorf und Elmschenhagen angeschlossen werden, an welcher Stelle die Schwentine gequert wird und ob man über die Gablenzbrücke oder um die Hörn fahren wird, um die Kaicity mit anzuschließen. In der Innenstadt steht noch zur Debatte, ob die Tram eventuell statt durch die Holstenbrücke über Fleethörn und Willestraße geführt wird.

Teil der jetzt anstehenden Planungen ist auch die Frage nach künftigen Erweiterungen und der Verknüpfung mit dem restlichen Verkehr. Es soll ein Busnetz in Ergänzung zum Tram-Netz entwickelt werden; Mobilitätsstationen zum Umstieg von Auto und Fahrrad in die Tram werden in den Blick genommen und spätere Erweiterungen, etwa in den Kieler Süden und Norden, werden untersucht.

Wofür das Alles?

Hätte die Politik nicht einfach entscheiden können, wo’s lang geht? Nein. Dieses Verfahren ist leider für drei Dinge erforderlich: die politische Entscheidung, die Finanzierung und die Genehmigung.

Es muss ein Netz entwickelt werden, das man planen und dann bewerten kann. Um am Ende auch eine belastbare Kostenschätzung zu haben und die Auswirkungen auf die Stadt und den restlichen Verkehr abschätzen zu können.

Und diese Erkenntnisse braucht man sowohl für eine informierte politische Entscheidung, als auch für die Verhandlungen mit Geldgebern wie dem Bund. Nicht zuletzt muss es eine gerichtsfeste Abwägung aller Varianten gegeben haben, um die spätere Genehmigung zu erhalten. Denn dort wird es um die Frage gehen, ob auch Alternativen zu konkreten Linienführungen untersucht wurden.

Ein großer Schritt

Es ist noch ein langer Weg, doch die erste Etappe ist geschafft. Bereits jetzt zeichnet sich ab, wie später das Kernnetz der Kieler Tram aussehen wird. Man wird nah an dem Entwurf sein, den die Autoren der Grundlagenstudie vor zwei Jahren vorgeschlagen haben. Und dieses Kernnetz mit seinen knapp 35 km Länge sollte die Hälfte der Kieler Einwohnerinnen und mehr als Dreiviertel der Arbeitsplätze anbinden. Dass jetzt die Realisierbarkeit dieses Netzes zunehmend feststeht, ist deswegen ein starkes Signal. Einen so ambitionierten Neubau hat es bisher in Europa selten gegeben, in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr.

Bei der Vorstellung der Planungen konnten die Planer auch erstmals öffentlich zeigen, was sie können. Und was wir sahen hat uns Mut gemacht. Das Team um den Projektleiter und gebürtigen Kieler, Nils Jänig, konnte schon bei der Bewerbung sehr gute Referenzen vorweisen: Lund, Helsinki, Kopenhagen, Aarhus – alles wegweisende Neubauprojekte. Den Fragen der Bürgerinnen, Ratsleuten und Landtagsabgeordneten haben sie sich engagiert gestellt und konnten mit ihrer fachlichen Erfahrung punkten. Jan Christoph Kersig vom Verein die Holtenauer, der sich früher schon kritisch zur StadtRegionalBahn geäußert hat, konnte in seinen vielen Fragen seine Skepsis nicht verhehlen. Machte aber deutlich, dass er sich von den Planern mit Blick auf die Holtenauer Straße vor allem viel Sensibilität für die besondere Situation erhofft. Dabei schien er sich von den Planern wirklich mitgenommen zu fühlen und bedankte sich am Ende nachdrücklich für deren Engagement.

Wir Tram-Befürworter freuen uns, dass die Debatte in Kiel so sachlich und konstruktiv startet und schließen uns Herrn Kersig an.

Weitere Informationen

Für weitere Informationen verweisen wir auf die Seite der Stadt zur Veranstaltung. Dort sind auch die Folien der Vorträge zu finden, die ein detaillierteres Bild der Planungen geben.

Die Planungswerkstatt wurde aufgezeichnet. Wer die Planer und Planungen noch besser kennenlernen möchte, kann dies auf YouTube tun: